Proxomed
Interview mit Marcus Melching, CEO bei der proxomed Medizintechnik GmbH in Alzenau
proxomed bietet hochwertige medizinische Therapie- und Trainingsgeräte für die Prävention und Rehabilitation. Mit CEO Marcus Melching unterhielten wir uns über die Trends in der Medizintechnik und wie das Unternehmen den Herausforderungen der Digitalisierung und des Fachkräfteengpasses begegnet.
Herr Melching, Deutschland gilt als Leitmarkt für Gesundheit und Medizintechnik? Woran kann man das festmachen?
Wir haben ein überdurchschnittlich gut ausgebautes Gesundheitssystem, wie es nur wenige Länder aufweisen können. Der Bedarf auf Seiten der Patient*innen, Ärzt*innen und Krankenkassen ist hoch, und es wird viel Geld in das Gesundheitssystem investiert. Entsprechend gibt es zahlreiche Medizintechnik-Unternehmen, die ihre Chancen wittern und den „Kuchen“ unter sich aufteilen möchten.
Die Zuwächse im Gesundheitsmarkt und in der Medizintechnik der letzten Jahrzehnte sind enorm. Ist mit einer Sättigung der Märkte zu rechnen?
Unsere Gesellschaft wird kontinuierlich älter und strebt danach, immer länger gesund zu bleiben. Privat und von den Krankenkassen wird daher viel Geld in Vorsorge investiert. Auch der Wandel von der Produktions- zur Wissensgesellschaft hat Auswirkungen auf den Gesundheitsmarkt: Menschen, die vorwiegend am PC arbeiten, neigen zum Beispiel zu degenerierender Muskulatur. Dazu kommen neue Krankheitsbilder, wie zum Beispiel Burn-Out und zunehmend mehr Parkinson-Betroffene. Das lässt den Markt insgesamt wachsen, bedingt aber auch eine Reihe von Verschiebungen. Wir sehen in unserem Bereich eine deutliche Verschiebung von der Orthopädie zur Neurologie. Das bedeutet, dass eine andere Art von Trainingsgeräten benötigt wird.
Wie sieht die Situation im Ausland aus?
Es gibt einige Länder, die sich ähnlich entwickeln wie Deutschland, speziell unsere Nachbarländer, wie die Niederlande, Belgien, Frankreich und die Schweiz. Andere Regionen, insbesondere Schwellenländer in Asien, haben einen sehr hohen Nachholbedarf und zeigen daher entsprechende Wachstumsraten auf.
Wo sehen Sie aktuell Herausforderungen für die hiesigen Medizintechnikunternehmen?
China drängt mit viel Kapital in die Märkte und sorgt so für einen härteren Wettbewerb. Für mittelständische Unternehmen ist es nicht immer einfach, ihre Selbstständigkeit zu behaupten. Sinnvolle Kooperationen können hier helfen, ebenso eine konsequente Konzentration auf einen Nischenmarkt.
Wie entwickeln Sie Ihre Trainingsgeräte?
Der Patient steht im Fokus all unserer Entwicklungen. Dazu haben wir ein Referenzzentrum, in dem die Geräte von Patient*innen getestet werden. Therapeut*innen beobachten und dokumentieren die Erfolge und tauschen sich mit dem Patient*innen über deren Trainingsgefühl aus. Im Referenzzentrum können übrigens auch alle unsere Mitarbeiter*innen kostenfrei trainieren, zum einen, um sich fit zu halten und zum anderen, um die eigenen Geräte selbst zu erleben.
Wie funktioniert die Zulassung Ihrer Geräte?
Wir sind nach ISO 13485 zertifiziert. Damit können wir qualitative Medizinprodukte auf den Markt bringen. Abhängig von deren Risikograd entwickeln und vertreiben wir diese Geräte entweder selbst oder gemeinsam mit dem TÜV Süd.
Ist e-Health für Sie ein Thema?
Ja, absolut. Es gibt einen Trend in unserem Markt, dass Patient*innen nach einer Einweisungsphase zuhause trainieren sollen. Hintergrund ist, dass es immer weniger Reha-Kliniken gibt und die Anfahrts- und Wartezeiten für die Patient*innen entsprechend lang sind. Geräte werden für einen Therapiezeitraum gemietet, und die Patientin oder der Patient wird angehalten, alles via Kamera aufzuzeichnen. Insofern spielt die Entwicklung von Apps, Video-Tutorials etc. für uns eine große Rolle. Hier erarbeiten wir mit Hochschulen zukunftsorientierte Lösungen.
Alle Welt spricht vom Fachkräfteengpass. Ist Ihr Unternehmen auch betroffen?
Derzeit sind wir bestrebt, freiwerdende Stellen – sofern möglich – intern zu besetzen und so unseren eigenen, bewährten Leuten interessante Positionen und Aufstiegschancen zu bieten. Das sehen wir als eine Form der Wertschätzung. Ich selbst bin als Praktikant bei proxomed eingestiegen und war nach meinem sportwissenschaftlichen Studium zunächst im Produktmanagement tätig, bevor ich dann in die Geschäftsführung unserer Produktionstochter proxowell gewechselt und schließlich als Vorsitzender der Geschäftsführung proxomed aufgestiegen bin. Insofern bieten wir meist Einsteigerjobs. Dafür suchen wir in erster Linie Generalist*innen, die unsere Firmenphilosophie mittragen. Beim Einstieg ist uns der Wille wichtiger als das Können. Alle Mitarbeiter*innen sind angehalten, ihr Wissen mit den anderen Kollegen*innen zu teilen, damit jede*r Einzelne sich verbessern kann.
Nach welchen Kriterien suchen Sie Kandidaten aus? Und wie binden Sie neue Mitarbeiter*innen?
Wir schauen ganz genau, ob die Persönlichkeit zu unserem Unternehmen passt. Es ist uns natürlich bewusst, dass die Loyalität zum Arbeitgebenden heutzutage nicht mehr so hoch ist, wie früher, doch wir versuchen mit einheitlichen Führungsstandards, interessanten Aufgaben sowie der Aussicht auf internen Aufstieg, Mitarbeiter*innen für unser Unternehmen zu begeistern und langfristig zu binden. Es gibt eine Vielzahl von Mitarbeiter*innen, die seit vielen Jahren bei uns beschäftigt sind oder auch wieder zu proxomed zurückkehren. Das gibt uns das Gefühl, dass wir irgendetwas richtig machen.
Wie nehmen Sie als Norddeutscher die Region Bayerischer Untermain wahr?
Alles ist hier sehr gut organisiert. Für die Freizeit gibt es viele gute Angebote. Die Wirtschaft prosperiert, und es gibt viele attraktive Arbeitgebende im Umfeld der angrenzenden Rhein-Main-Region. Das hat natürlich auch Nachteile: Wohnungen sind Mangelware und ziemlich teuer.
Herr Melching, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.
Das Interview führte Katja Leimeister